Tag 5: 59.102541, 6.164136 - Lærdalsøyri

14.06.2023

Meine erste Nacht im Zelt seit gefühlten 30 Jahren ist sehr bescheiden. Zum einen habe ich darin nicht wirklich Platz neben den Motorrad-Klamotten dem Helm und den Stiefeln, zum anderen kann ich mich im Schlafsack nicht wirklich bewegen. Dazu kommt noch, dass irgendein fleißiger Bauer in der Nachbarschaft bis nachts um 1:30 Uhr seinen Acker pflügt. Mehrfach wache ich in der Nacht auf und kurz nach 6:00 beschließe ich, der Sache ein Ende zu bereiten. Und um kurz nach 7:00 Uhr rolle ich vom Platz.

Ich freue mich darauf, in der nächsten Stunde irgendwo in einem Dorf eine kleine Bäckerei zu finden, um dort mein Frühstück einzunehmen. Doch leider wird daraus nichts. Zum einen in Ermangelung eines Dorfes und zum anderen in Ermangelung von kleinen Bäckereien in kleinen Dörfern. Irgendwie gibt's hier gar nichts. Und das zieht sich die nächsten 4 Stunden auf meiner Fahrt durch Rogaland so hin. Um 11:30 Uhr gebe ich dann auf und nehme mein verspätetes Frühstück und verfrühtes Mittagessen in Form eines Chicken Wraps und einer Tasse Kaffee an einer Tanke in Odda ein. Odda liegt am Ende des Sørfjorden, den ich an seiner Ostseite immer weiter nordwärts begleite. Das hier scheint eine sonnige und daher fruchtbare Gegend zu sein. An beiden Hängen des Fjordes werden Äpfel und Kirschen angebaut. Ein bisschen erinnert die Gegend an Südtirol. Und an dieser Stelle sollte ich mal eine Klammer aufmachen: Norwegen erscheint mir bislang so vielfältig: es erinnert mich mal an Österreich, mal an die Schweiz, mal an das Trentino, mal an die Rocky Mountains und jetzt eben auch an Südtirol. Eine faszinierende Vielfalt. Klammer zu.

Ach ja, noch ´ne Klammer: Tunnel. Bislang dachte ich immer, die Schweizer oder die Italiener sind die Weltmeister im Tunnel bauen. Die Schweizer können lang und die Italiener können spektakulär. Alles falsch. Die Weltmeister im Tunnelbau sind die Norweger. Denn die können nicht nur lang und spektakulär, nein, sie legen ganze Straßenverläufe in den Berg hinein. Man trifft dort auf Kreisverkehre mit drei oder gar vier Zufahrten, deren Wände mit Spritzbeton ausgekleidet sind und die mit einem bläulichen Licht illuminiert sind. Fast überirdisch. Oder Tunnel, die sich wie eine Spirale im Berg nach oben schrauben. Und überhaupt habe ich den Eindruck dass, wenn die Norweger eine Straße von A nach B bauen wollen und es steht ein Berg dazwischen, sie einfach ein Loch hindurchbohren. Egal wie lang. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem gesamten Leben so viele Kilometer in Tunneln verbracht, wie heute an einem einzigen Tag. Klammer zu.

Der Sørfjorden geht in den Eidfjorden über, den ich mit der spektakulären Hardangerbrua (Hardangerbrücke) überquere. Man muss sich das so vorstellen: du fährst in einen Tunnel, der vielleicht drei oder vier km lang ist, kommst aus ihm heraus, bist sofort auf einer Hängebrücke die aussieht wie Golden Gate in klein, und an deren Ende du sofort wieder in einen Berg hinein fährst, um nach weiteren 11 km aus diesem Tunnel wieder herauszukommen und nun in einer ganz anderen Gegend zu sein. Das ist Norwegen.

In Aurlandsvangen beginnt der Höhepunkt des Tages: der Anstieg in das Aurlandsfjäll und das durchqueren desselben. Die typisch norwegische, einspurige Straße mit Ausweichbuchten führt steil an der Wand des Aurlandsfjorden nach oben. Hin und wieder gibt es spektakuläre Ausblicke in den Fjord nach unten, aber die Konzentration auf die Straße erlaubt kein längeres hinsehen. Die Straße schraubt sich dann auf über 900 m nach oben in das Fjäll, das, wie wir mittlerweile wissen, der klimatischen, hochalpinen Zone unserer heimischen Alpen entspricht. Hier oben gibt es nur noch Felsen, Schnee und zugefrorene Bergseen.

Der Tag endet in Lærdalsøyri auf einem schönen Campingplatz, auf dem ich mir eine gemütliche Hütte für eine Nacht miete. Die Idee müssen aber andere Biker dann auch noch gehabt haben, denn innerhalb einer Stunde sind die drei Cabañas links und rechts neben mir mit Bikern aus Kroatien, Tschechien und Norwegen belegt.

Hier die Impressionen des Tages. Leider habe ich die GoPro falsch an der Helmhalterung befestigt, so dass sie zu viel von mir und zu wenig von der Landschaft zeigt. Ich verspreche, ich werde es korrigieren.

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